Eine Patchworkfamilie? Aber sicher, das ist in Deutschland keine Seltenheit mehr und gesellschaftlich akzeptiert. Dagegen wären Frauen hierzulande wohl kaum erfreut, wenn ihr Ehemann noch weitere Ehefrauen hätte. In Uganda ist das eher umgekehrt. Polygamie, also dass in diesem Fall ein Mann mehrere Ehefrauen hat, ist in Uganda relativ weit verbreitet, obwohl die Frauen auch hier manchmal erst bei der Beerdigung des Mannes voneinander erfahren.
Problematischer hingegen ist die Tatsache, dass viele Männer die Kinder eines anderen Mannes nicht gern akzeptieren und die Frau oft eine Möglichkeit finden muss, ihre Kinder anderweitig unterzubringen. Da das nicht immer gelingt, gibt es in Uganda relativ viele verlassene Kinder, die einfach „ausgesetzt“ wurden, aber auch Waisenkinder. Die Geburtenraten sind zudem hoch und 8 – 12 Kinder pro Frau keine Seltenheit.
Diese und viele andere kulturelle Besonderheiten vermittelten Janina Möck und ihr ugandischer Ehemann Isaac den Geographie-Kursen der Q12 bei einem äußerst informativen Vortrag. Janina Möck stammt aus der Fränkischen Schweiz und lernte Uganda nach dem Abitur bei einem sozialen Jahr für eine größere Hilfsorganisation kennen und lieben. Da sie das Gefühl hatte, dass die Hilfe dieser Organisation nicht wirklich bei den Menschen ankam, entschied sie sich, selbst Verantwortung zu übernehmen und eine eigene Organisation zu gründen.
Sie begann, gemeinsam mit einem afrikanischen Ehepaar – das vor einigen Jahren bereits am EGF zu Gast war – verlassene Kinder aufzunehmen, zu versorgen und ihnen eine Schulbildung zu ermöglichen. Vieles war zunächst improvisiert, aber mit Hilfe von Spenden und auch eigenem Kapital konnte in der Nähe des Viktoriasees Land erworben werden. Hier befindet sich inzwischen eine Schule für die Kinder, ein Wohngebäude, ein Brunnen für die lebensnotwendige Wasserversorgung und auch fruchtbares Ackerland, damit sich das Projekt „We Care For Them“ selbst mit Lebensmitteln versorgen kann. Das ist nachhaltiger und der kostspielige Kauf von Nahrungsmitteln entfällt. Da Uganda wegen der Äquatornähe ein sehr gleichmäßig warmes Klima hat und es ausreichend Niederschlag gibt, können ganzjährig viele Anbauprodukte gedeihen, zum Beispiel Süßkartoffeln, Bananen oder Avocados.
Im Gegensatz zu diversen anderen Projekten leistet die Organisation von Janina Möck und ihren ugandischen Mitarbeitern „Hilfe zur Selbsthilfe“, wobei es das Ziel ist, dass sich die Gründerin am Ende größtenteils zurückziehen kann, während die Menschen vor Ort die Verantwortung übernehmen.
Bei Ihrem Vortrag betonte Janina Möck, dass es einige essentielle Punkte gibt, die für den Erfolg eines solchen Hilfsprojekts unerlässlich sind. So müssen vor allem kulturelle Unterschiede respektiert werden. Dabei wirkt sich das (Er)Kennen der Stärken und Schwächen des Partners positiv auf die Zusammenarbeit aus und es müssen unbedingt einheimische Mitarbeiter beteiligt sein. Wenn die Menschen aus Uganda nicht einbezogen werden, selbst agieren und das Projekt mitgestalten können, ist ein Erfolg nicht gewährleistet. Geduld, Vertrauen, aber auch eine gewisse Kontrolle sind die wichtigsten Mitspieler auf dem Weg zum Erfolg und zur Autarkie.
Janina Möcks Ehemann Isaac hielt seinen Teil des Vortrags auf Englisch und ermöglichte den Schülerinnen und Schülern noch tiefere und auch humorvolle Einblicke in die Kultur seines Landes. Beispielsweise berichtete er, dass eine rote Ampel für ugandische Autofahrer keinen Grund zum Anhalten darstellen würde, solange sich keine anderen Autofahrer in der Nähe befänden.
Die Organisation „We Care For Them“ bietet Menschen außerdem die Möglichkeit, selbst in Uganda am Projekt mitzuarbeiten, so dass im Fall einer entspannteren Pandemie-Lage einem Auslandsaufenthalt in Uganda nach dem Abitur nichts mehr im Wege stehen würde. Und vielleicht findet Janina Möck dann auch Nachahmer…
Das EGF unterstützt das Projekt bereits seit einigen Jahren und Interessierte können sich unter EGF hilft oder unter www.wecareforthem.eu informieren und natürlich gern auch spenden, denn der Bau eines zweiten Wohngebäudes wurde bereits auf den Weg gebracht.
Petra Stäudel